Hubert Nienhoff - »Siehe, schön bist du!« – Kirche und Schönheit, (Hld 1,15)

„Siehe, schön bist du!“ - Kirche und Schönheit
aus dem Hohelied Salomon 1,15 im Alten Testament der Bibel

Pfarrer Sascha Gebauer schrieb mich per E-Mail an - Empfehlung durch Horst Borgmann - „als Architekt könne ich über „Kirche und Schönheit“ sprechen. Aber: Ich könne mir auch ein eigenes Thema freies Thema wählen! (Über Alles reden - nur nicht über 15 Minuten)

Nun - das war eine Herausforderung für mich und die Aufgabe erschien mir spontan sehr reizvoll zu sein. Immerhin hatte ich ja noch 2 Monate Zeit darüber nachzudenken - die Anfrage erhielt ich Anfang Juni 2019.
Heute freue ich mich hier zu sein und zu Ihnen, der Gemeinde Tiergarten, sprechen zu dürfen.

Person
Ich muss gestehen, den Textauszug des Hohelieds Salomon kannte ich nicht. Wohl aber das Hohelied der Liebe aus dem 13. Kapitel des Korintherbriefes.
Ich bin Architekt und obwohl ich in meiner Heimatgemeinde so manche Entwicklungsstufe im Rahmen der Mitgestaltung von Gottesdiensten durchlaufen hatte - vom Stufendiener, Messdiener bis zum Lektor von Lesungen - bin ich nicht bibelfest. Und noch weniger im Alten Testament!
Ich musste mich erst einmal über diese Textstelle belesen! Ich war erstaunt, was da geschrieben stand! - später mehr dazu.

Geboren worden bin ich vor 60 Jahren als 4. Kind von 9 Kindern auf einem Bauernhof in Westfalen. Aufgewachsen bin ich in einem streng christlich-katholischen Umfeld, mit einer sehr aktiven Kirchengemeinde.
Und obwohl ich gegen den Willen meines Vaters Architektur studieren wollte, gebe ich ihm eine gewisse Mitverantwortung dafür, dass ich Architekt geworden bin.
Er hat mir beigebracht zu sehen! - später vielleicht mehr dazu.

Jetzt zunächst zu Ort und Zeit .
Diese Kirche wurde im Rahmen der IBA ´57 gebaut.
Architekt: Senatsbaudirektor Ludwig Lemmer.
Einschiffige Saalkirche mit 68 m Turm und Seitenkapelle.
Beton / Aluminium / Glas als beherrschende Materialien - auch Sankt Aluminium genannt.
Es gibt Glasornamentfenster - Lichteffekt Altar.
Mosaikflächen im Altarbereich und grüne Farbflächen, die an eine Waldlandschaft erinnern.
Hier und da - Limba-Holz und Muschelkalk für den Altar.

Heute - etwa 30 Jahre nach dem Fall der Mauer - 58 Jahre seit dem Bau - und 62 Jahre nach Fertigstellung dieser Kirche, die bis heute ein Ort der Versammlung ist, für die Gemeinde.
Dies stellt den unmittelbaren Kontext dar! - dazu später mehr.

Textzitat - Kontext
„Siehe, schön bist du, meine Freundin - makellos schön!“
Dieser Auszug aus dem Buch Salomon ist mehr als 2.500 Jahre alt - 500 v. Chr.
Die Übersetzungen ins Deutsche stammen sowohl von Martin Luther, als auch von Johann Wolfgang von Goethe sowie Johann Gottfried Herder.

1 Dies ist das Lied der Lieder von Salomo. Junge Frau:1
2 »Ach, dass er mich küsse mit den Küssen seines Mundes, denn deine Liebe ist köstlicher als Wein.
3 Der Duft deiner Salben ist betörend, dein Name ist wie feinstes Öl. Darum lieben dich die Mädchen!
4 Nimm mich mit zu dir; komm, lass uns eilen! Der König hat mich in sein Zimmer geführt.2« Junge Frauen von Jerusalem: »Wir wollen jubeln und uns über dich freuen, wollen uns an deiner Liebe mehr als an Wein berauschen!« Junge Frau: »Ja, zu Recht lieben sie dich!
5 Ich bin dunkelbraun und schön, ihr Mädchen von Jerusalem, braun wie die Zelte von Kedar, wie die Zeltdecken Salomos bin ich.
6 Starrt mich nicht an, weil meine Haut so dunkel ist. Die Sonne hat mich dunkel gebräunt. Die Söhne meiner Mutter ärgerten sich über mich und ließen mich die Weinberge hüten. Doch meinen eigenen Weinberg konnte ich nicht hüten.
7 Sag mir, du, den meine Seele liebt, wo lässt du deine Schafe weiden? Wo lässt du sie am Mittag rasten? Warum soll ich wie eine Umherirrende3 bei den Herden deiner Freunde suchen?« Junger Mann:
8 »Wenn du es nicht weißt, du Schönste aller Frauen, dann folg den Spuren meiner Herde und weide deine Zicklein bei den Zelten der Hirten!
9 Einer prachtvollen Stute vor dem Prunkwagen des Pharaos gleichst du, meine Freundin.
10 Anmutig sind deine Wangen umrahmt von schmückenden Kettchen, anmutig ist dein Hals mit der Perlenkette.
11 Wir wollen dir goldene Kettchen mit silbernen Perlen machen!« Junge Frau:
12 »Solange der König auf seinem Lager liegt, verströmt mein Nardenöl seinen Duft.
13 Mein Geliebter ist für mich wie ein mit Myrrhe gefüllter Beutel, der zwischen meinen Brüsten ruht.
14 Wie die Blüten des Hennastrauchs in den Weinbergen von En-Gedi ist mein Geliebter für mich.« Junger Mann:
15 »Wie schön du bist, meine Freundin, wie schön! Deine Augen sind wie Tauben.« Junge Frau:
16 »Wie schön bist auch du, mein Geliebter, wie bezaubernd. Unser Lager ist mitten im Grünen,
17 die Balken unseres Hauses sind Zedern und unsere Täfelung Zypressen.«

Wie ist es möglich, dass ein Text voller erotischer Anspielungen in das Alte Testament aufgenommen wurde - und bis heute unverändert dort verblieben ist - und auch noch zitiert wird!
Ein Text voller Liebesbezeugungen und erotischen Anspielungen? Gesprochen im Dialog zweier sich umwerbenden Liebenden! Mit Metaphern und Mehrdeutigkeiten - bis hin zur Umschreibung des Liebesspiels in der Natur!

Ein Versehen der Bibelverfasser wird es nicht gewesen sein! Nein: ganz bewusst.

Denn viel mehr als heute alle flüchtigen Tweets auf Facebook oder WhatsApp-Nachrichten ist dieser Satz bis heute wirkungsvoll und wird es wohl für immer bleiben.
Er hat eine zeitlose Bedeutung.

- LIEBE -
Denn es geht hier um etwas ganz Existenzielles und Essentielles im Menschsein:
Es geht um               Ich + Du

                                 Du + Ich

                                 sehen + gesehen werden

                                 sich miteinander verbinden

Es geht um               das Eins-Sein im Augenblick!                                                                             

- WAHR -

Was hier von Salomon und seiner angebeteten Sulamith zum Ausdruck gebracht wird; ist ein sich gegenseitiges Erkennen - und Lobpreisen aller sinnlich schwärmerischen Wahrnehmung.

Es ist ein                   Geben + Nehmen

- AUGENBLICK -

Salomon sagt           Siehe!     

                                 jetzt - hier         

in diesem Augenblick macht er Sulamith darauf aufmerksam:

                                 „schön bist du!“

und Sulamith antwortet nicht einfach: Stimmt - du aber auch.

Auch sie macht ihn aufmerksam:

                                 Siehe!

Dadurch entsteht diese Innigkeit - durch das wechselseitige „Wahr-Nehmen“.

Nachdem ich beim mehrfachen Lesen dieses Textauszugs auf das Phänomen des Augenblicks gestoßen bin, habe ich mich zunächst von dem gestellten Thema „Architektur und Schönheit“ losgesagt.
Denn spontan wollte ich über das Relative der Schönheit - im Allgemeinen und in der Architektur sprechen.
Aber: Was ist nicht schon alles über die Schönheit nachgedacht, philosophiert und geschrieben worden - endlos!
Und: Wie oft benutzen wir das Wort „Schön“ - als Attribut und Adverb.

     schöne Blumen

     schöne Musik

     schöner Moment

Manchmal sagen wir auch: Wir wollen mal wieder schön Essen gehen.
Als junger Architekt habe ich mich in einem Interview dazu hinreißen lassen zu sagen:
Jeder Baum ist schöner als die Architektur, die er verdeckt.
Denn: Was ist denn schön?

Augustinus hat mal auf die Frage: „Was ist Zeit?“ geantwortet:
„Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich es, aber wenn ich es erklären soll, weiß ich es nicht.“
So ehrlich - so wahr. Und so geht es mir auch mit dem Begriff „Schönheit“.

Voltaire: „Das Schöne an der Kröte ist ihre Krötenhaftigkeit!“
Bonaventura (13. Jh. - Franziskaner) ähnlich: „Man nennt das Bild des Teufels schön, wenn es die Hässlichkeit des Teufels wiedergibt!“

                                 Na - ist dieser Raum jetzt schön oder nicht?

Urteil oder Eigenschaft
Wenn wir ein Urteil fällen, also bewerten, dann grenzen wir uns ab - dann entstehen Gegensätze:

     schön - nicht schön

     oder

     hässlich, schrecklich

Denn dann vergleichen wir:

     zu dick

     zu dünn

     zu lang

     zu kurz ….

Das machen wir unbewusst permanent.

Aber: Dadurch bauen wir eine Distanz auf - auch zu anderen Menschen.

Ist diese Art der vergleichenden Wahrnehmung deshalb schlecht oder falsch?

Nein! - denn es ist uns während unserer Entwicklung so angelernt und übermittelt worden, so zu urteilen.

                                 Na, was dann?

Wir sollten uns dessen nur immer - in jedem Augenblick - bewusst werden.

Wenn wir sehen und etwas unbewusst bewerten, dann strömen in uns - ganz unbemerkt - viele zusätzliche Einflüsse auf uns ein. Wir sehen nicht objektiv!

 

Gedanken - Vorurteile - Erfahrungen - und alle anderen Sinneseinflüsse wirken auf uns ein.

Das hat uns im Laufe unserer Evolution schon große Dienste erwiesen und unser Überleben gesichert! Beim Sehen sind wir proaktiv und kreativ! Wir stecken allerlei Konnotationen in das Gesehene hinein.

Das hilft einerseits, aber andererseits hindert es uns auch daran, das Gesehene so wahrzunehmen, wie es wahrhaftig ist - ohne Beimischungen!

Dabei über-sehen wir vielleicht ganz Wesentliches, oder auch das Ganze, auch das Verborgene, nicht Offensichtliche.

Die ganze „Wahr-heit“ bliebe für uns dann unerkannt.

Wahrheit heißt im Griechischen ALITHEIA und bedeutet viel mehr als wir es in der deutschen Übersetzung benutzen. Es bedeutet:

     ent-blättern

     das Verborgene sichtbar machen

Im „Kleinen Prinzen“ heißt es: „Man sieht nur mit dem Herzen gut - das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“.

                                 Unkommentiert!

Wahrnehmung
Unsere Wahrnehmung hat sich im Laufe der Evolution deutlich verändert. Wir „sehen“ anders als vor 2.500 Jahren - dem Ursprung des Textes.
Wir nehmen schneller optische Eindrücke auf - oft lassen wir weder das Auge, noch unsere anderen Sinneseindrücke ruhen und verweilen im Augenblick!
Dabei ist es eigentlich nur der Augenblick, indem wir wirklich wahrnehmen können.
Alle Zeit davor ist schon angereichert mit allerlei Zutaten und Bewertungen.
Alles Zukünftige ist im wahrsten Sinne ein Phantasma - ein Trugbild - eine Täuschung!

     Was passiert im kurzen Moment des Sehens - im Jetzt - im Augenblick?

Das Auge

Unsere Augen haben sich im Laufe der Entwicklung ca. 40mal weiterentwickelt - und das geschieht bis heute. Wir haben also nicht immer den gleichen Seh-Sinn benutzt!
Mit unseren Augen nehmen wir 80 % aller Umwelteinflüsse auf!
Das sind pro Sekunde ca. 10 Millionen Informationen. Würden wir diese alle einzeln verarbeiten und auswerten

                                 oh Graus - Scheitern

Wir müssen also selektiv vorgehen.

Auf dem Weg von der Hornhaut bis zur Netzhaut haben wir Filter eingebaut. Diese gefilterten Informationen werden dann - schon reduziert - via unseren Sehnerv an das Gehirn weitergeleitet.
Aber auch dort wird es nicht wie ein Kamerabild abgespeichert.
Bei diesem blitzschnellen Ablauf vermischen wir die selektierte Information mit unseren subjektiven Annahmen und Empfindungen.

Unser Sehen ist nicht objektiv!

Alle begleitenden Sinne:

     das Hören

     das Riechen

     das Fühlen

     das Tasten

werden gleich mitverarbeitet. Sowie auch die Erinnerungen - Erwartungen - Vorurteile.

Wenn wir darauf auch noch reflexartig reagieren - was bei zunehmender Geschwindigkeit in unserer überreizten Umwelt geschieht - dann heißt es schnell - wie bei Facebook: like - dislike!

Das Urteil ist gefällt!

Dabei übersehen wir, dass unsere Sinne oft genug getäuscht werden.

Egotrip

Wir sind auf einem Egotrip!
Wir sind - oft - reine Bildkonsumenten geworden. Wir „liken“ oder „disliken“, so wie wir bestellen bei Lieferando oder „daten“ bei Finder und Parship.
Und wenn es nicht gefällt: ein Wisch und weg!        DELETE!

- GEBEN + NEHMEN / KEIN EGO -

Um wieviel sinnlicher, voller und aufmerksamer waren wohl die Momente des Werbens und Begehrens bei Salomon und Sulamith.

                                 „Siehe - jetzt - schön bist du“

 

- ZEIT -

Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben (vielleicht auch zwei). Gemeinsam mit Goethe gehen wir in das Straßburger Münster:

„Gedichte sind gemalte Fensterscheiben!

Sieht man vom Markt in die Kirche hinein,

Da ist alles dunkel und düster;

Und so siehts auch der Herr Philister.

Der mag denn wohl verdrießlich sein

Und lebenslang verdrießlich bleiben.

 

Kommt aber nur einmal herein!

Begrüßet die heilige Kapelle;

Da ists auf einmal farbig helle,

Geschicht und Zierat glänzt in Schnelle,

Bedeutend wirkt ein edler Schein,  

Dies wird euch Kindern Gottes taugen,

Erbaut euch und ergetzt die Augen!“

Ja - wohl oft geht es uns wie den Philister - wir sind Spießbürger, Besserwisser, voreingenommen und engstirnig. Wir haben bereits unser Urteil gefällt - und wollen es nicht besser erkennen. So bleiben wir bei unserer Meinung - wie der Philister. Werden vielleicht dabei verdrießlich - und das ein Leben lang!

                                 Die Beziehungsängste unserer Zeit lassen es vermuten.

Aber hier werden wir von Goethe eingeladen, doch mal tiefer in die Kirche hineinzugehen - uns Zeit zu nehmen - auch andere Eindrücke aufzunehmen - wie bei einem Gedicht - oder wie bei der ganzen Schöpfung.

Dann erkennen wir die ganze Fülle, es ist farbig helle und es glänzt und ergötzt die Augen.

Denn: mit all unseren Sinnen sind wir auch selbst Schöpfer - ja - Mitschöpfer unserer Umwelt, wenn wir uns stets bewusst sind und das Ganze wahrnehmen.

                                 Wir sollten stets wachsam sein!

                                 Und all unsere Sinne beisammen haben.

- AUGENBLICK -

Wie sagt es Goethe im Faust:

„Werd ich zum Augenblicke sagen: Verbleibe doch! Du bist so schön!“

Das konnte Mephisto ihm nicht gewähren. Wir dürfen den Augenblick nicht verpassen - aufhalten können wir ihn nicht.

- SELBST -

Olympiastadion - Spätherbst ´99

Schönheit und Erhabenheit - es zog mich augenblicklich an!

Frei von Vorurteilen und Bewertungen.

Was passiert nicht alles in einem Augenblick:

Erfindungen - Entdeckungen - Verliebtheit - Erleuchtung - Achillessehnenriss

Der Augenblick kann uns eine ganz besondere Intensität der Wahrnehmung verleihen.

Wenn wir ganz im Hier + Jetzt sind, entsteht eine tiefe Erfahrung des ganzheitlichen Erlebens.

Aber: Wir müssen wieder lernen zu schauen - es auf uns wirken lassen - uns Zeit nehmen und bereit sein.

- BILDER - DIE MODERNE -

Unser Wohlstand und unsere Mobilität erlauben uns, viele Orte in kurzer Zeit zu bereisen. Aus den Anreizen von Google und Werbeprospekten von Reiseveranstaltern - Rom für 149.- €, 3 Nächte etc. - flitzen wir durch Raum und Zeit.

- FOTOSAMMLER -

Paris - Eiffelturm - Notre Dame - Selfie - Zack.

Indien - Agra - Taj Mahal - Selfie - Zack und zurück.

Gesehen - dokumentiert (millionenfach) - abhaken - und weiter.

Wir sind so effektiv, wie die Maschinen - so schnell wie unsere Datenleitungen. Wir sind auf dem Egotrip des konsumierens - und merken sehr spät, dass wir abstumpfen und beziehungsunfähig werden - oder schon sind.

Nicht nur dem geliebten Menschen gegenüber - auch unserer Umwelt - der Schöpfung!

Wie anders erging es Goethe auf seiner italienischen Reise:

Nach wochenlanger Anreise von Karlsbad über die Alpen ins Veneto - und Monate später in Rom.

„Auch ich in Arkadien“ - Tagebuch, 2 Bände - Beschreibungen und Erlebnisse.

Heute:

Wochenendtrip - pauschal 149.- € - und in 4 Stunden ist man da - oder wieder weg.

- LYNKEUS DER TÜRMER -

Aber deswegen kann auch Goethe am Ende seines Lebens in Faust II sagen lassen:

„Zum Sehen geboren,
Zum Schauen bestellt,
Dem Turme geschworen
Gefällt mir die Welt.
….

So seh ich in allen
Die ewige Zier
Und wie mir's gefallen
Gefall ich auch mir.

Ihr glücklichen Augen,
Was je ihr gesehn,
Es sei wie es wolle,
Es war doch so schön!“

- MARCEL PROUST -

„Die Suche nach der verlorenen Zeit“ - voller sinnlicher Wahrnehmung und Momente-Beschreibung.

Selektive und kreative Wahrnehmung

5 Personen betreten diesen Raum:

1. Person:                 alt - müde und krank - vielleicht vom Leben enttäuscht

2. Person                  hat Interesse an Mosaiken und Ornament-Glasfenster der 50er Jahre

3. Person                  ein/e Architekt/in - Interesse an der IBA ´57

4. Person                  eine vorbeieilende Touristin auf dem E-Scooter

5. Person                  ein Kind - an der Hand der Eltern

Jedem dürfte schon jetzt aus dem Vorherbeschriebenem die unterschiedliche Betrachtungsweise, die Unterschiede ihrer Wahrnehmung deutlich vor Augen erscheinen.

Jedes Mal ist es die gleiche Kirche! Jedes Mal die gleiche Zeit!

Und doch werden die Eindrücke ganz verschieden sein - so auch die Erinnerungen.

                                 Wir sehen nur, was wir kennen.

Wussten sie, dass Claude Monet die Kathedrale von Rouen 33-mal gemalt hat - in ganz verschiedenen Lichtstimmungen und Farben - an Tages- und Jahreszeiten?

Heute, in der Zeit der Moderne, hat sich unser Sehen noch viel weiter von unserem natürlichen, evolutionären Wahrnehmen verändert.

Der Konflikt der Moderne

Unsere Weltbeziehung hat sich zunehmend in eine Unabhängigkeit begeben.

- AMAZON - LIEFERANDO - FINDER  -

Wir sind den Versprechen der Moderne auf den Leim gegangen, dass alles für uns stets verfügbar ist - erreichbar - bestellbar und austauschbar.

Das Streben nach Autonomie - Selbst-Bestimmung - hat uns die ganzheitliche Wahrnehmung genommen. Wir haben uns durch diese Abgrenzung geradezu in ein Aggressions-Verhältnis zur Umwelt begeben.

Aber: Dadurch begeben wir uns selbst in eine Ohnmacht - die Umwelt weiß sich zu wehren!

                                 - Klima -

Wir sollten wieder in eine Resonanz mit der Schöpfung treten. Die Dinge so sehen, wie sie wirklich sind - und nicht so, wie wir sie gerne hätten.

Wir sollten uns nicht ausgrenzen!

Ja - dies ist schon beinahe eine spirituelle Haltung zur Schöpfung und zu allem, was dazugehört - auch allen Menschen!

Wir sollten zu einer mitschwingenden Harmonie zurückkehren und eher wieder Eins-werden, statt Grenzen zu bauen und Mauern aufzutürmen.

Dann gibt es die Chance, die Schönheit der Schöpfung zu erkennen und mit ihr im Ausgleich darin zu leben.

Es ist ein Geben und ein Nehmen!

So wie Salomon und Sulamith - wechselseitig und ausgeglichen.

Und ich glaube:

Dies ist einer der Gründe, warum die Bibel-„Väter“ - Sorry - die Passage in das Alte Testament erneut aufgenommen haben - sehr weise und bedacht.

Wenn wir uns in Achtsamkeit üben und das Sehen für uns mehr ist, als ein flüchtiges Durchklicken, dann kehren wir allmählich zum Leben im gegenwärtigen - wahren - Augenblick zurück.

Dann sehen wir die Welt unvoreingenommen - wie durch Augen eines Kindes - auch das Verborgene! - und staunen!

Dann ist die Schöpfung eine Aneinanderreihung von Wundern, die sich stets ereignen.

Wir werden dann wieder zu Momenten-Sammlern - und bleiben nicht griesgrämig eingeschränkt - wie die Philister. Dann bereichern wir uns selbst von Augenblick zu Augenblick.

Das Leben selbst wird eine permanente Entdeckungsreise.

Dann fällt es leicht zu sagen:                         

                                 Siehe - jetzt - dieser Moment - schön bist du! - makellos.

Danke fürs Zuhören!